Phum Benh: in Gedenken der Ahnen

 

Es ist gefühlt mitten in der Nacht, als ich mich aus dem Bett rapple. Und das alles, um Reis auf den Boden des Tempelgeländes zu werfen? Während ich aus dem Zimmer tapse, stolpere ich fast über unseren Gastgeber, der gestern anscheinend im Flur eingeschlafen ist. War wohl doch etwas zu wild gestern … 

 

    Bei so viel Essen wird jeder satt (sogar ich)


Ein paar Tage vorher. Jannik und ich sitzen beim Abendessen und überlegen, was wir den jetzt so während Phum Benh machen sollen.


Phum Benh ist ein buddhistischer Feiertag, der in Kambodscha groß gefeiert wird. Groß muss man durchaus auch als lang verstehen: Phum Benh erstreckt sich über 16 Tage im Oktober/November. Während dieser Tage wird den Ahnen gedacht und Respekt den älteren Menschen entgegengebracht. Als Höhepunkt dieser Tage sind die letzten drei Tage zu verstehen, die im ganzen Land nationale Feiertage sind. Die meisten Arbeitgeber (wie auch meiner hehe) geben sogar fünf Tage frei. Genug Zeit also, aus der Stadt rauszukommen.


„Wie wäre es den, wenn wir unsere Mitfreiwillige in Battambang besuchen würden?“, frage ich Jannik. „Klingt gut, lass machen!“


Zwei Tage später stehen wir am Royal Train Square in Phnom Penh. Zug fahren war das günstigste Verkehrsmittel, das allein reichte uns beiden eigentlich schon, um überzeugt zu sein. Doch Zug fahren soll auch wunderbar sein, um die Landschaft Kambodschas zu sehen, wurde mir von meinen Kollegen empfohlen. Wir wühlen uns durch die Menschenmenge. Alle wollen für die Feiertage die Stadt verlassen. So in welchen Wagen müssen wir jetzt? Keine Ahnung. Wir sahen wohl recht verloren aus, denn schnell kommt eine Bahnangestellte zu uns und fragt uns, ob sie uns helfen kann. Ja, bitte! Geschickt bahnt sie sich ihren Weg durch die Menge und zeigt uns, wo wir sitzen können. Puh, geschafft.


Unser Zug rattert langsam los und ich bin begeistert. Tatsächlich sind wir heute auf einer historischen Strecke unterwegs, denn diese Schienen wurden damals noch unter französischer Kolonialherrschaft verlegt und waren die erste Bahnstrecke Kambodschas. Nachdem die kommunistischen Roten Khmer die Macht an sich gerissen hatten, wurde diese Strecke jedoch stillgelegt und erst vor wenigen Jahren wieder in Betrieb genommen. Was mich alles Geschichtsnerd begeisterte war, dass die Züge von früher restauriert wurden und jetzt wieder verwendet werden. Die ganze Fahrt fühlt sich also etwas aus der Zeit gefallen an.


Mit etwa 50 km/h bahnen wir uns unseren Weg durch das kambodschanische Flachland, das sich rund um den großen Tonle Sap See erstreckt. Ich lasse meinen Kopf aus dem Fenster hängen und genieße den Fahrtwind in meinem Gesicht. Die Aussicht ist wunderschön. Reisfelder, Palmen und kleine Dörfer ziehen an uns vorbei. Die Landschaft sieht aus, als hätte jemand versehentlich einen Farbeimer vergossen. Der Himmel strahlt blau, das Gras ist so grün, wie ich es noch nie gesehen habe. Dieses Land ist verdammt schön.


Unsere Fahrt geht sieben Stunden. Ein Bordbistro gibt es nicht und wir haben kein Essen mit dabei. Doch es wäre nicht Kambodscha, wenn keine Essenspause eingeplant wäre. In Pursat hält der Zug an und am Bahnhof wartet schon ein kleiner Markt an Essenständen auf unseren Zug. Schnell etwas Essen kaufen und dann im Zug essen. Es wird geteilt. Die kambodschanische Familie, die uns gegenüber sitzt, teilt mit uns ihren Nachtisch und wir teilen unsere Kekse. Diese Kultur des gemeinsamen Essens gefällt mir sehr gut.


Die restlichen Stunden vergehen schnell und schon bald finden wir uns am Bahnhof von Battambang wieder. Wir beschließen einmal kurz zur Flusspromenade zu laufen, da wir erst später bei der Gastfamilie unserer Mitfreiwilligen eingeladen sind. Battambang fühlt sich sehr anders an als Phnom Penh. Die Straßen Richtung Ufer sind mit Staub bedeckt und im Allgemeinen ist diese Stadt so ruhig irgendwie. Das tut ehrlich gesagt sehr gut, so eine Pause von dem hektischen Phnom Penh.

Am Ufer angekommen, holen wir uns erstmal einen Kokosnuss-Kaffee und setzen uns auf eine Mauer am Fluss. Schön hier. Vor uns erstreckt sich der Tonle Sangker, hinter uns ist die Road Nr. 1, eine Straße gesäumt mit alten französischen Kolonialgebäuden. Nach einer kurzen Pause machen wir uns auf die Stadt zu erkunden, welche ehrlich gesagt sehr übersichtlich ist. Direkt am Fluss befindet sich der Central Market, bei dem wir noch schnell ein Gastgeschenk besorgen. Ebenfalls in der Nähe befindet sich ein Museum, mit Exponaten, die hier in der Battambang Provinz gefunden wurden, mit einer zeitlichen Abdeckung von den ersten Siedlungen bis zur Angkor Periode. Für einen Preis von umgerechnet einem Dollar (4000 kambodschanische Riel) wird einem eine schöne kleine Sammlung geboten, definitiv eine Empfehlung.


Abends nehmen wir uns dann ein Tuk Tuk zu dem Haus unseres Gastgebers. Es befindet sich etwas außerhalb der Stadt, direkt am Rand zum Dschungel. Wir kommen an und werden erstmal von einem Hund, namens Dao, begrüßt. (Dao heißt im Übrigen laufen auf Khmer, was ein sehr passender Name ist, wie ich später noch merken sollte.) Auch der Gastgeber begrüßt uns herzlich und wir werden direkt am Grill eingespannt, denn heute Abend sind noch Freunde eingeladen. Nach und nach trudeln immer mehr Leute ein, es wurde der Hotpot ausgepackt und ein paar Bier gezischt. Ich würde sagen, dass wir es uns sehr gut gehen haben lassen. Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern, doch einige Tage später wurden mir einige spannende Karaoke Videos zugeschickt, über meine Qualitäten als Singer kann man sich wohl streiten. Man kann wohl sagen, ich war mit vollem Einsatz dabei.


Es war eine kurze Nacht. Irgendwie war uns gestern egal, dass wir heute ja eigentlich früh rauswollten. Ab in die Dusche. Ein Eimer Wasser über den Kopf, macht mich wach. So was jetzt? Wir rütteln unseren Gastgeber wach, der langsam realisiert, dass er drauf und dran war eines der wichtigsten Festivals der Khmer (Kambodschaner) zu verpassen. Er springt auf und beginnt sofort Reis zu kochen. Nachdem der Reis fertig ist helfen wir ihm diesen zu kleinen Kugeln zu formen und auf Schalen zu verteilen, sodass wir am Ende alle eine Schale Reiskugeln haben.


Damit ausgerüstet, geht es in die Pagode. Pagoden sind buddhistische Tempel und sind Orte des Gebets. Wir alle lauschen den Gesängen und Gebeten der Mönche, die vor uns auf dem Teppich der Pagode sitzen. Zu unserer linken befindet sich eine große, goldene Buddha Statue. Zu meiner Verwunderung wurde dieser Schrein jedoch noch zusätzlich mit LED Lichtern geschmückt, was ich recht skurril finde. Ob das Wohl für Erleuchtung steht? Das Blinken der Lichter macht mich zumindest wach, denke ich mir.


Nach dem Beten geht es raus auf das Tempelgelände und wir folgen der Menge, die nun um den Tempel läuft. Traditionell wir dreimal um den Tempel gelaufen und währenddessen die Reiskugeln auf den Boden geworfen. Es ist eine schöne Stimmung, die ersten Sonnenstrahlen bahnen sich gerade ihren Weg durch das Dickicht des Dschungels und wir werfen Reis auf den Boden. Das klingt komisch, aber macht echt Spaß. Doch dahinter steckt eine alte Tradition.


Während Phum Benh, so die Überzeugung, sind Himmel, Hölle und Erde miteinander verbunden und die Ahnen können tagsüber den von uns gegebenen Reis mit in ihr Nachleben nehmen. Vor allem sollte sich ein Ahne in der Hölle befinden ist das eine gute Möglichkeit, die Ahnen im Jenseits zu unterstützen. Ich habe mich gefragt, ob den jemand im Himmel überhaupt noch Reis braucht, doch da keiner weiß, ob nun die eigenen Verwandten im Himmel oder in der Hölle sind, ist es besser vorzusorgen, wurde mir gesagt. Ganz wichtig: das ist natürlich enorm zusammengefasst, doch ich hoffe, dass solche Einschübe für etwas Klarheit sorgen.

Die nächsten Tage machen wir uns auf, mit dem Moto die Provinz zu erkunden. Ein nennenswerter Ausflug war etwa zum Phnom Sampow, bei dem sich jeden Abend eine riesige Horde an Fledermäusen beobachten lässt. Mein persönliches Highlight war es jedoch Khmer Kuchen mit unserem Gastgeber zu machen. Zunächst einmal ist Khmer Kuchen (Num Ansom) meine absolute Lieblingssüßigkeit aus Kambodscha. Er wird, natürlich, aus Reis gemacht.

Num Ansom gibt es in verschiedenen Variationen, etwa mit Schweinefleisch (Num Ansom Sach Chruk) oder mit Banane (Num Ansom Jake). Bei der Zubereitung wird je nach Sorte die entsprechende Zutat zusammen mit speziellem Klebreis in ein Bananenblatt eingewickelt. Danach muss der Kuchen nur noch gut in kochendem Wasser abgekocht werden.  Abkühlen lassen und fertig!


Wer das mal probieren möchte:

https://flavourfullygood.com/num-ansom-chrouk/

(als Süßigkeit einfach Banane statt dem Fleisch verwenden)




Danke fürs Lesen und viel Spaß beim Ausprobieren!

Kommentare

Beliebte Posts