Alles normal: Mein erstes Fazit nach 2 Monaten

Morgens 5:30, ich stehe auf. Niemals hätte ich gedacht, dass ich mal zu so einem Frühauftsteher werden könnte. Um kurz vor 6 bin ich unten am Tor vor unserem Haus, bereit meine morgendliche Joggingrunde im nahegelegenen Olympic Stadium anzutreten. Eine halbe Stunde später komme ich verschwitzt zurück. Um 7 gehts dann zusammen mit Jannik (meinem Mitfreiwilligen) in unser Stammfrühstückslokal. Klassisches Frühstück: Reis mit Fleisch und Ei, dazu eine Suppe. Das ist so lecker, dass ich meine Frühstücksflocken von zuhause nur selten vermisse.


Danach gehts mit dem Fahrrad in die Arbeit. Einmal durch den hektischen Berufsverkehr von Phnom Penh. In der Arbeit angekommen grüße ich erstmal unsere Putzkraft. Sie ist oft die Einzige, die um 8 schon da ist. Langsam trudeln meine Kollegen ein, erstmal noch nen Kaffee zusammen trinken, dann gehts los. Tagsüber bin ich dann entweder im Büro oder mit in einem unserer Projekte in den verschiedenen Sangkats (Stadtvierteln) Phnom Penhs. Abends wieder mit dem Fahrrad nach Hause. Heute kochen oder doch lieber Streetfood? Oft ist für Jannik und mich die letzte Option dann doch zu verlockend. Dann noch ein bisschen lesen, telefonieren mit meiner Freundin und dann ins Bett.


Alltag. Es ist alles normal. Das finde ich irgendwie krass: wie normal mir alles vorkommt. Man stellt sich vor, dass ich vor 3 Monaten noch in einem Dorf in Deutschland gewohnt habe und jetzt wohne ich in einer Großstadt in Kambodscha. Man könnte meinen größer könnten die Unterschiede nicht sein und trotzdem kommt es mir inzwischen so verdammt normal vor hier zu sein. Das heißt jetzt nicht, dass ich nicht jeden Tag etwas neues erlebe und wenn es nur ein neues kulinarisches Highlight sein mag. Aber dass ich jeden Tag etwas neues sehe, das ist jetzt normal.

Es wurden sogar schon die ersten Überstunden eingelegt (Deadline ist heute ahh)

 

Von Anfang an

Aber von Anfang an. Nach etwa einem Tag auf Reise kommen wir am Abend des 21. August in Phnom Penh an. Lim, unsere Mentorin, erwartetete uns schon draußen am Eingang des Flughafens. Sie hatte einen Minivan organisiert, um uns zum Apartment zu bringen. Wir fahren los und sind direkt gebannt. Wir alle staren aus den Fenstern, denn es gibt so viel zu sehen. Die Leuchtreklame, die ganzen Läden und Lokale und vorallem das Geschwader an Mopeds und Tuk Tuks in dem wir uns befinden. Alles wirkt wie ein fließender Strom und wir schwimmen mit. Lim läd uns alle noch zum Essen ein und direkt können wir aus einer Auswahl an Khmer Gerichten wählen. Alles ist irgendwie noch sehr fremd, aber das Essen ist verdammt lecker.


Die erste Woche über hatten wir dann ein Einführungs-Seminar mit Lim, in welchem wir bereits viel über das Land, die Kultur und die Geschichte lernen konnten. Auch Gäste kamen vorbei, um uns tiefere Einblicke in bestimmte Themen zu geben, etwa ein Menschenrechts Aktivist. Die Präsentation seines Engagements für Menschenrechte hat mir echt großen Respekt vor dieser so wichtigen Arbeit und vor allem seiner Person gegeben.  Abgesehen von dem vielen Input hatten wir alle auch noch mit dem klassischen Jetlag zu kämpfen, was zu so witzigen Effekten führte, wie dass man den ganzen Tag müde war, um dann abends trotzdem nicht schlafen zu können. Zum Glück hat sich das nach etwa einer Woche normalisiert. Auch das Klima war erstmal gewöhnungsbedürftig. Erst als mir dann vor einem Monat das erste Mal wieder kalt war, wusste ich, dass ich mich daran gewöhnt hatte.


Meine Einsatzstelle

Nachdem Seminar ging es für mich direkt in meine Einsatzstelle hier in Phnom Penh, bei der ich erstmals noch halbtags mitarbeitete. Meine Einsatzstelle nennt sich “Youth Council of Cambodia” (YCC) und betreibt vor allem Advocacy Arbeit für Jugendliche und junge Erwachsene. Ich wurde dort freundlich empfangen und direkt allen Mitarbeitern vorgestellt. Die ersten Tage verbrachte ich vor allem damit, mich einzulesen und aus Berichten zu lernen. Jedoch durfte ich auch gleich in der ersten Woche mit meinen Kollegen mit ins Feld fahren, also in einem Sangkat (Viertel) Phnom Penhs an der Vorbereitung eines Community Forums teilnehmen. Solche Community Foren werden vom YCC initiiert und haben das Ziel die Bewohner mit der Lokalregierung und anderen Dienstleistern (Schulen, Krankenhäuser) zusammenzubringen, damit sich die Entwicklung des Sangkat auf die Bedürfnisse der Menschen ausrichtet. Um eine Vorstellung davon zu bekommen ein Beispiel: etwa wurde sich bei diesem Forum für eine Verbesserung der Toilettensituation in der Schule eingesetzt. Was mir besonders gut gefallen hat ist, dass YCC versucht die Jugendlichen möglichst viel selbst organisieren zu lassen und nur die Fähigkeiten zu vermitteln, wie etwa vor vielen Menschen zu sprechen. Mir wurde jedoch am Anfang gleich vorgeschlagen ich solle doch dem neuen Klimaschutz Programm beitreten. Das klang sehr spannend für mich, also trat ich dort bei und durfte auch bei diversen Meetings mit unseren Sponsoren teilnehmen, was für mich nochmal eine völlig neue Perspektive eröffnete, wie denn eigentlich eine lokale NGO arbeitet.


Im Allgemeinen muss ich sagen, dass YCC sehr engagiert war von Anfang an mich möglichst viel mitzunehmen und mir viele Einblicke zu geben. Direkt in der zweiten Woche etwa durfte ich meinen Chef am Wochenende nach Siem Reap zu einem Community Forum begleiten. Das lieferte mir spannende Einblicke in das Forum vor Ort, welches auch vor allem von Jugendlichen geleitet wurde inklusive Vorführung der Probleme in der Community vor Ort in Form kurzer Schauspieleinlagen (sehr schön und humorvoll) und Debatten über eben diese Themen.


Zu Beginn arbeitete ich morgens bei YCC und lernte nachmittags Khmer mit unserem Sprachlehrer Borey. Ich möchte hier einmal unterstreichen, wie sinnvoll es ist diesen Kurs zu haben, denn jetzt bin ich zwar kein Khmer Profi, aber es reicht zumindest um auf dem Markt einzukaufen, Essen zu gehen oder nach dem Weg zu fragen. Wir Freiwilligen wohnten währendessen noch zusammen in einer WG, wodurch man direkt einen Ansprechpartner hatte um seine Erfahrungen zu teilen.


Vollzeit?

Als es dann nach einem Monat Vollzeit losging, hieß es erstmal wieder Sachen packen, denn unsere Freiwilligen WG verstreute sich jetzt. Jetzt wohnen Jannik und ich hier bei einem liebenswerten älterem Herren, der selbst für längere Zeit bei einer NGO gearbeitet hat und uns sehr herzlich willkommen geheißen hat. Auch in der Arbeit veränderte sich viel bzw auch eben erstmal nicht. Oft hatte ich nichts zu tun und jeden Tag hieß es für mich erstmal, auf die Suche nach Aufgaben zu gehen.

Mein offizieller Mentor war leider ebenfalls sehr beschäftigt und konnte mich also nicht wirklich unterstützen. Nach etwa drei Wochen belastete mich dieser Zustand sehr, denn ich fühlte mich doch recht nutzlos. Ich suchte dann das Gespräch mit meinem Chef, welches sich als einzig richtiger Schritt herausstellte. Jetzt bin ich neben dem Klimaschutz Projekt auch noch unserem Social Accountability Projekt beigetreten und unterstütze vor allem bei Berichten und bei unserem Social Media Auftritt. Auch wenn ich merke, dass ich langsam mehr Aufgaben bekomme, habe ich das Gefühl immer noch nicht meinen eigenen Platz dort gefunden zu haben. Ich nutze gerade die Zeit darüber zu reflektieren und habe das Gefühl ich hätte schon früher das Gespräch mit meinem Chef suchen sollen. Außerdem weiß ich, dass ich als erster Freiwilliger, der ein Jahr bei YCC bleibt, mir auch erstmal einen Platz schaffen muss. Abgesehen davon fühle ich mich jedoch sehr wohl bei YCC. Es ist mit etwa 10 Mitarbeitern in Phnom Penh eine eher kleine NGO und fühlt sich dadurch irgendwie auch schon ein bisschen familiär an und ich verstehe mich sehr gut mit allen Mitarbeitern.


Ausblick

Die letzten zwei Monate waren irgendwie sehr viel. Ich habe zwar jetzt einen Alltag, aber andererseits entwickelt sich hier auch alles täglich weiter. Ich habe neben der Arbeit schon einige Khmer Freunde und Bekanntschaften gefunden und auch verdammt viel Spaß, Phnom Penh und Kambodscha zu erkunden. Trotzdem bin ich gerade noch nicht zufrieden damit, wie es gerade ist. Ich möchte mir einen Platz schaffen bei YCC und meinen Nachfolgern damit den Weg ebnen. Dafür habe ich mir jetzt auch schon eigene Projekt Ideen überlegt. In meiner Freizeit möchte ich auch etwas verändern und mir ein Hobby hier suchen. Zu Beginn war ich einige Male klettern, aber dieses Hobby ist leider auf Dauer zu teuer für mich und ehrlich gesagt waren dort vorallem andere Expats.
Ich blicke positiv in die Zukunft. Aber ich glaube ich merke jetzt endlich warum weltwärts ein Lerndienst ist. Denn ich lerne quasi jeden Tag. Sprache. Kochen. Alleine wohnen. Probleme ansprechen. Kultur. Entwicklungspolitsche Themen quasi nebenbei. Ich glaube, ich lerne gerade erst zu leben.

Kommentare

  1. Dein letzter Satz; einfach wow, genau so geht es glaube ich vielen von uns, die aus der Schule kommen und jetzt erstmal Leben lernen müssen!

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