Made in Cambodia
Neulich saß ich in meinem Zimmer und habe meine Wäsche gefaltet. T-Shirt um T-Shirt
wurden aufeinander gestapelt. Ein T-Shirt eines bekannten deutschen
Sportartikelherstellers. Der Blick fällt auf das Etikett. “Made in Cambodia”, steht da. Krass
da gehe ich ja bald hin.
In meiner Vorbereitungszeit habe ich immer wieder Berührpunkte Deutschlands mit
Kambodscha gefunden, ob es mein Kieferorthopäde ist, der eine
Südostasienreise plant oder eben mein T-Shirt. Vielen ist Kambodscha ein Begriff, mehr jedoch dann aber
doch auch nicht. Oft habe ich Freunde und Bekannte einfach mal gefragt, wo den
Kambodscha eigentlich liegt. Nicht wenige antworteten ohne Witz: “In Afrika oder?”. Das
hat mir dann doch gezeigt, dass wir hier in Deutschland so wenig über Kambodscha
wissen und das obwohl es täglicher Bestandteil unseres Lebens ist: allein über die
Kleidung.
In der Schule habe ich nichts über Kambodscha gelernt und ehrlich gesagt wusste ich vor
einem Jahr auch gerade mal den Namen. Seitdem habe ich mich mit dem Land
auseinandergesetzt und versucht mehr zu erfahren. Bevor ich überhaupt auf ein
Auswahlseminar von Brot für die Welt eingeladen wurde, sprach ich mit dem Cousin
meiner Freundin, Matthias, über Kambodscha und seine Erfahrungen dort. Er hatte vor ein
paar Jahren dort ebenfalls an einem entwicklungspolitischen Freiwilligendienst “weltwärts”
teilgenommen und arbeitet jetzt in der Entwicklungszusammenarbeit, derzeit in Ghana. Ein
perfekter Ansprechpartner dachte ich mir. Tatsächlich wurde aus einem kurzen Telefonat
ein zweistündiges Gespräch, in dem er mir offen von seinen Erlebnissen erzählt hat.
Vorallem die Menschen sind ihm besonders hängen geblieben und der Humor der Khmer
und die Art wie sie mit ihrer Situation umgehen. Er erzählte mir ebenfalls mehr über die
Roten Khmer, das kommunistische Regime, das Kambodscha in den 70ern beherrschte
und unter welchen Millionen Menschen umgekommen sind. Da seine Einsatzstelle in
einem ehemaligen Foltergefängnis der Khmer Rouge (so werden die Roten Khmer auch
genannt) war, beschäftigte ihn dieses Thema damals besonders.
Auch mich beschäftigte dieses Thema nach dem Telefonat sehr und ich versuchte über das
Internet und verschiedene Dokumentationen mehr darüber zu lernen. Seitdem habe ich
großen Respekt vor diesem Thema und vor den Khmer, die mit dieser Vergangenheit
umgehen müssen.
Beim Auswahlseminar dann später in Berlin durfte ich Nary eine Freiwillige aus
Kambodscha in Deutschland kennenlernen und habe schon ein bisschen verstanden, was
Matthias mir sagen wollte. Ihre offene Art bei den Gesprächen haben mir die schönen
Seiten Kambodschas gezeigt (vor allem auch zum Thema Essen habe ich sehr viele Bilder
geschickt bekommen, was vielleicht auch daran liegt, dass wir immer bei den Mahlzeiten
miteinander geredet haben). Seitdem will ich unbedingt einen Kochkurs in Kambodscha
machen und mehr über die Khmer Küche lernen. Außerdem hoffe ich Phim vielleicht in
Kambodscha einmal wiedersehen zu können. Erst heute schrieb ich mit Phim und fragte sie, was für sie eigentlich das Besondere an Kambodscha sei. Das Lächeln der Menschen
antwortete sie :)
Nach dem Auswahlseminar bekam ich zwar bald eine Zusage, allerdings musste ich mich
gedulden, bis meine Partnerorganisation mir ebenfalls zusagte. Schließlich kam die
Zusage: Ich werde ab Mitte August bei YCC eingesetzt sein.
YCC ist aus einem Zusammenschluss mehrer Studenten- und Jugendorganisationen
entstanden und seit 2002 offiziell vom kambodschanischen Innenministerium anerkannt.
Die Vision der Organisation ist die aktive Beteiligung der Jugend an der Politik und
Entwicklung Kambodschas, mit besonderem Fokus auf die Themen Demokratie,
wirtschaftliche Entwicklung, good governance und der Gleichstellung der Geschlechter.
Dadurch möchte YCC zu einer nachhaltigen Entwicklung Kambodschas beitragen.
Ich habe versucht über die Webseite und die sozialen Medien mehr über YCC zu erfahren,
das stellte sich allerdings als schwierig heraus, da die Webseite sich derzeit im Umbau
befindet und keine Beiträge in den sozialen Medien vorhanden sind. Ob ich wohl dabei
sein darf, diese Kanäle wieder zu pflegen? Vielleicht kann ich hier unterstützen. Jedenfalls
habe ich mich dann direkt an den Direktor der Organisation (Mr. Im Sothy) und meinen
Mentor bei YCC (Mr. Chai Dara) gewandt, ob Sie mir Material für die Vorbereitung
bereitstellen könnten. Sie sagten mir, dass sie, wenn sie mit dem Umbau ihres
Webauftritts fertig sind, auf mich zukommen.
Zum Glück hatte ich ja noch den Kontakt zu meiner Vorgänger-Freiwilligen, Amelie, die mir
mehr erzählen konnte. Sie erzählte mir, dass sie sich vor allem viel mit englischen Texten
beschäftigt in der Arbeit und sonst auch bei vielen Meetings mit dabei ist. Bei Seminaren
musste sie auch öfter Bilder machen und/oder diese dokumentieren. Sie teilte mir mit, sie
plane außerdem, einen Englisch Unterricht für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
anbieten zu wollen. Ich kann mir gut vorstellen, diese Aufgaben zu übernehmen. Auch das
Projekt, Englisch zu unterrichten kann ich mir gut vorstellen. Vielleicht kann ich ja auch
mal bei einem Seminar mich aktiver beteiligen und eigene Einheiten mitleiten, da ich als
Jugendleiter in diesem Bereich schon Erfahrung habe. Ansonsten konnte sie mir viel über
die dortige Wohnsituation und ihren Alltag schildern. Ich habe etwa Dinge erfahren, wie
dass es in Phnom Penh eine Kletterhalle gibt und ich somit meinen Lieblingssport in
Kambodscha weiterführen kann und dort hoffentlich auch mit Einheimischen in Kontakt
kommen werde.
Was das Thema Sicherheit in Phnom Penh betrifft, hatte ich zunächst Bedenken, aber
ehrlich gesagt hat mich hier das Gespräch mit Amelie sehr beruhigt. Aber mir ist trotzdem
bewusst, dass ich aufmerksamer als in Deutschland sein muss.
Außerdem erzählte sie mir noch viel über ihre Urlaube, die natürlich meine Motivation
nochmal gesteigert haben. Neben dem (obligatorischen) Besuch von der Tempelanlage
Angkor Wat und der Stadt Siem Reap möchte ich ebenfalls einen der zahlreichen
Nationalparks besuchen und auch die Küstenregion Kambodschas erkunden, die ein
Karibik-Feeling verspricht. Auch Battambang reizt mich, da hier ein ursprünglicheres
Kambodscha vorzufinden sein soll, mit vielen Gebäuden, die noch aus der Zeit der
französischen Kolonialmacht stammen.
Apropos Kolonialmacht: Kambodscha gehörte damals unter den Franzosen zu Indochina.
Daher finden sich einige Spuren französischen Einflusses in Kambodscha. Als Freiwilliger
möchte ich mit diesem Thema sensibel umgehen und hoffe, dass ich dazu noch etwas im
Ausreisekurs bei Brot für die Welt in Berlin lernen werde. Derzeit
weiß ich nämlich noch nicht genau, wie ich als Europäer damit umgehen sollte.
Das ist tatsächlich allgemein eine Angst, die ich habe, nämlich dass ich als unwissender
Europäer da aufkreuze und dann vielleicht jemanden beleidigen könnte, weil ich falsch mit
bestimmten Themen umgehe. Auch hier hoffe ich in Berlin noch mehr lernen zu können
und bin gespannt, wie ich damit zurechtkomme nächstes Jahr.
Zurzeit freue ich mich zwar sehr, aber ich habe auch immer noch Respekt vor diesem
Jahr. Wie werde ich mich einleben? Komme ich mit den Leuten zurecht? Gelingt es mir
Kontakt nach Deutschland zu halten?
Natürlich fällt es mir schwer, meine Freunde und Familie hier in Deutschland
zurückzulassen, aber ich blicke optimistisch auf nächstes Jahr. Um in Kontakt zu bleiben,
habe ich beschlossen einen Blog zu schreiben. Außerdem werde ich auch in dem
Gemeindebrief meiner Gemeinde, in der ich die letzten Jahre als Jugendleiter tätig war,
von meinen Erlebnissen berichten. Damit bleibe ich mit Deutschland in Kontakt und
versuche auch direkt meiner Rolle als Multiplikator gerecht zu werden.
Durch das Berichten hoffe ich auch Spenderinnen und Spender für meinen
Unterstützendenkreis gewinnen zu können. Gerade habe ich angefangen Spenden zu
sammeln und werde demnächst noch viel dafür Werben und Freunde und Bekannte
anschreiben. Zusätzlich habe ich jetzt schonmal meine Überstunden aus meinem
Nebenjob gespendet. Weitere Ideen, die ich habe sind eine Spendenparty zu organisieren
und evtl. gebrauchte Dinge auf ebay zu verkaufen. Ich hoffe ich bekomme dadurch genug
Spenden zusammen.
Am liebsten lese ich gerade meinen Lonely Planet Reiseführer und erweitere meine
Bucketlist, wo ich alles gewesen sein will nächstes Jahr. Ja zugegeben, auf den Urlaub
dort freue ich mich auch schon sehr. Ich freue mich aber am allermeisten auf Phnom Penh
und bin schon gespannt darauf, diese Stadt zu erkunden.
Außerdem habe ich begonnen, etwas Khmer zu lernen. Es fällt mir jedoch ziemlich schwer
ehrlich gesagt. Viel über ein "Sours dei! Sok sa ba te?" reicht es noch nicht. Das heißt im
übrigen etwa so viel wie: "Guten Tag! Wie geht es dir?". Eigentlich haben die Khmer ihre
eigene Schrift, aber zur Einfachheit lerne ich die Lautschrift. Der Satz oben ist also so
geschrieben, wie man es spricht. Ich hoffe sehr, dass der Sprachkurs im ersten Monat in
Phnom Penh mir weiterhelfen wird.
Zur weiteren Vorbereitung lese ich zurzeit oft abends auf der Brot für die Welt Homepage
Blog Einträge ehemaliger Freiwilliger.
Außerdem habe ich mich mit dem Atlas der Zivilgesellschaften beschäftigt, bei dem unter
anderem auch die Unterdrückung von Protesten kambodschanischer Textilarbeiter ein
Thema war.
Das hat mich dann natürlich gleich wieder an mein T-Shirt erinnert.
(Das war mein Vorbereitungsbericht, der erste der verpflichtenden Berichte, die ich für Brot für die Welt schreiben muss während meines Freiwilligendienstes. Da ich den Bericht aber ja eh schon geschrieben hatte dachte ich kann ich ihn ja auch gleich veröffentlichen hehe)
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